Falsche Öffnungsraten und versteckte Mailadressen - Apple stellt mit iOS 15 das E-Mail-Marketing auf den Kopf
Killt Apple das E-Mail-Marketing?
Apple hat am 07. Juni 2021 auf der eigenen Entwicklerkonferenz Worldwide Developers Conference (WWDC) Details zum iOS 15 Update angekündigt, das voraussichtlich im September 2021 zum Download verfügbar sein wird. Diese Ankündigung hat - gerade im Bereich E-Mail-Marketing - für ordentlich Wirbel gesorgt.
Warum?
Das neue Update beinhaltet einschneidende Veränderungen, die sich auf die Praxis eines jeden E-Mail Marketers auswirken wird. Vor allem zwei neue Features, die “Mail Privacy Protection” und “Hide my Email”, haben es in sich.
Was wird sich unter iOS15 ändern?
Neben einer Reihe anderer Anpassungen, die an dieser Stelle aber nicht relevant sind, wird es vor allem im Bereich des Datenschutzes einige Änderungen geben:
- Nutzer können das Tracking von E-Mail-Öffnungen deaktivieren
- Nutzer können ihre IP-Adresse verbergen
- Nutzer können die eigene E-Mail-Adresse verbergen
Was heißt das im Klartext?
Mail Privacy Protection
Mit diesem Feature will Apple für einen erhöhten Datenschutz im E-Mail-Postfach sorgen. Die Nutzer können darüber entscheiden, welche Informationen sie mit den Versendern teilen möchten. Somit ist es ihnen auch möglich, die IP-Adresse und Standortinformationen einzuschränken sowie Informationen zu den Öffnungen zu erfassen.
So funktioniert das Tracking von Öffnungen
Damit ein E-Mail-Marketing-System eine E-Mail-Öffnung erfassen kann, werden in den E-Mails winzig kleine, für das Auge unsichtbare Bild-Pixel integriert. Dieses Pixel weist jeder Empfänger-Adresse eine individuelle ID zu.
Wird die E-Mail geöffnet, lädt ein externer Server der Software das Pixel und registriert Datum, Uhrzeit sowie den Standort des Empfängers über dessen IP-Adresse. Auch, mit welchem Gerät geöffnet wurde (Desktop oder mobil) wird erkannt.
So verhindert Apple das Tracking
Um die Daten ihrer Nutzer zu schützen, wird das Mailprogramm von Apple zukünftig alle E-Mails über einen Proxy Server öffnen, bevor sie in der Inbox des Empfängers landen.
Der Proxy Server ist ein Vermittler oder Stellvertreter und nimmt Anfragen entgegen, die er unter seiner eigenen Identität weiter leitet. Proxy Server lassen sich unter anderem dazu verwenden, Verbindungen zu anonymisieren und Identitäten zu verbergen. Da der Proxy zwischen Quelle und Ziel einer Verbindung geschaltet ist und die direkte Kommunikation der Teilnehmer unterbindet, haben die beiden Endstellen keine Kenntnis über die Adresse des jeweils anderen. Sämtliche Clients hinter einem Proxy treten nach außen hin mit dessen Identität auf.
Stellen Sie sich das wie mit der Assistenz der Geschäftsführung vor: An dieser Person kommt keiner vorbei, der die Geschäftsführung sprechen möchte. Er/Sie sortiert, öffnet und stempelt zudem auch zuerst die Post, bevor diese an die Geschäftsführung gegeben wird. Auch, wenn die Post erst viel später (oder auch gar nicht) gelesen wird, bleibt der Datumsstempel der Assistenz auf dem Papier.
Da eben auch die IP-Adresse verschleiert ist - es läuft ja alles über die IP-Adresse des Proxys - funktioniert die lokale Ortung nicht mehr. Apple sagt, dass die Proxy Server zwar im jeweiligen Land liegen, aber die Region ist nicht mehr zuzuordnen.
Wenn wir bei unserem Vergleich mit der Assistenz bleiben wollen: Der/Die Assistent/in weiß zwar, ob sich die Geschäftsführung auf dem Golfplatz oder in einem wichtigen Meeting aufhält. Aber er/sie verrät es einfach niemanden.
Hide my E-Mail
Dies ist die zweite Funktion, die wesentliche Einschnitte für das E-Mail-Marketing bedeutet. Mit ihrer Hilfe können iCloud-Benutzer ihre eigene E-Mail-Adresse verbergen und stattdessen eine zufällige und anonyme von Apple generierte E-Mail Adresse zu verwenden.
Sozusagen Wegwerf-Adressen.
Eingehende Mails werden an die anonyme Adresse versendet und anschließend ins eigentliche Postfach weitergeleitet.
Diese Funktion wird direkt in das System integriert. Wer mit iOS15 mit Safari ein Newsletter-Anmelde-Formular ausfüllt, kann sich während der Eingabe eine neue E-Mail-Adresse erstellen lassen. Der Vorteil für den Nutzer: Er kann beliebig viele Wegwerf-Adressen anlegen und bestimmen, wie und von wem er direkt kontaktiert werden möchte, und von wem nicht. Außerdem wirkt er/sie der Weiterverbreitung der eigenen E-Mail-Adresse im Netz entgegen. Die Funktion steht allerdings nur Abonnenten des kostenpflichtigen iCloud+ -Dienstes zur Verfügung.
Apple schützt zunehmend die Privatsphäre seiner Nutzer
Die angekündigten Maßnahmen im iOS-Update kommen nicht ganz überraschend. Wer Apple die letzten Jahre nicht ganz ignoriert hat musste sehen, dass das Unternehmen den Schutz der Privatsphäre seiner Nutzer kontinuierlich ausbaut. Das Update iOS 14.5 bot durch die App-Tracking-Transparenz (ATT) neue Möglichkeiten, die Sammlung von Daten einzuschränken. Nutzer müssen hier aktiv Apps die Erlaubnis geben, Daten zu Werbezwecken zu verfolgen oder mit Drittanbietern zu teilen.
Was bedeuten die Maßnahmen für das E-Mail-Marketing?
Nun mal immer mit der Ruhe. Auch Apple wird es nicht schaffen, das E-Mail-Marketing zu “töten”. Ja, bei einem Marktanteil von ca. 30 % (Stand März 2021, Statista) werden die Änderungen das E-Mail-Marketing beeinflussen. Denn von den angekündigten Änderungen sind mitnichten nur die Apple-Adressen wie @me oder @icloud betroffen, sondern alle Konten, die mit der Applikation Apple-Mail verwaltet werden.
Es ist nicht auszuschließen, dass andere Anbieter ähnliches vorhaben, bzw. nachziehen werden. Aber: Es gibt keinen Schatten ohne Licht. Das Update wird vielleicht einiges verändern, es ergeben sich aber auch großartige Chancen.
Fassen wir nun erst einmal zusammen, welche Konsequenzen die angekündigten Maßnahmen haben werden:
- Die Öffnungsrate verliert immens an Aussagekraft. Alle Abläufe, die in Abhängigkeit zur Öffnungsrate basieren, sollten also dringend überprüft und umgestellt werden. Im Umkehrschluss bedeutet das:
- Die Klickrate wird an Bedeutung gewinnen. Denn wer einen Link in der E-Mail klickt, hat sie auch mit Sicherheit geöffnet.
- Animierte Countdown-Timer in E-Mails werden möglicherweise nicht mehr uneingeschränkt funktionieren, hier könnte aber mit einem Fallback für iOS-NutzerInnen gearbeitet werden. Der Countdown-Timer des Quentn WordPress-Plugins ist davon nicht betroffen!
- Das Geo-Targeting ist nicht mehr möglich. Inhalte, die auf eine bestimmte Region gemünzt sind, werden in iOS, iPadOS und Apple Mail nicht mehr funktionieren. Quentn hat dieses Tracking aus Datenschutzgründen eh nie praktiziert, deswegen sind Quentn-Kunden nicht von der Änderung betroffen. Andere Anbieter nutzen sie aber für die Segmentierung und Optimierung der Zustellraten, etc.
- Personen, die “Hide my E-Mail” nutzen, können nicht mehr über Angebote wie Facebooks Custom Audience erreicht werden – derartige Angebote sind hierzulande allerdings datenschutzrechtlich ohnehin höchst problematisch.
Die fehlenden Informationen zur Öffnungsrate sowie Verhaltens- und Standortdaten durch iOS 15 werden noch weitere Veränderungen im Email Marketing nach sich ziehen, vor allem für:
- die Listenbereingung
- Splittests
- Zielgerichtete Re-Engagement-Kampagnen
- Auslösen von sequentiellen E-Mails (in Quentn: durch Ereignis “Öffnung")
- Optimierung der Versandzeit und -frequenz
Ist das nun das Ende des Newsletters?
Die Antwort ist klar und deutlich: NEIN.
Ok, es muss vielleicht ein Umdenken stattfinden. Aber eine Neuausrichtung war ja noch nie ein Ende, sondern ist immer ein Anfang.
Die Klickrate, Conversionrate und die Anzahl der Bestellungen sind eigentlich schon immer wichtiger und aussagekräftiger gewesen. Diese Zahlen werden nun verstärkt in den Fokus rücken. Was macht der Leser, wenn er die E-Mail erhalten hat? Was klickt er? Wo klickt er? Was macht er danach? Schaut er sich etwas an, lädt er etwas herunter oder kauft er etwas? Das Nutzerverhalten ist und bleibt viel wichtiger als alles andere. Die Analyse erlaubt es Ihnen, genau den passenden Inhalt zu erstellen.
Eines bleibt also genau wie vorher: Es sollte nach wie vor für jeden E-Mail-Marketer das oberste Ziel sein, Empfänger mit relevanten Inhalten zum richtigen Zeitpunkt zu versorgen und sie somit entlang der Customer Journey zu führen. Wer dies bisher beachtet hat, braucht sich vor dem iOS15- Update nicht zu fürchten.
E-Mail-Marketing ist und bleibt die effektivste Marketing-Maßnahme. Denn der Kanal als “Owned Media” bietet unschlagbare Vorteile:
- Sie haben die Kontrolle, wann Sie welche Inhalte an wen verschicken.
- Wer sich in Ihre Liste einträgt, tut dies freiwillig und aus echtem Interesse - Sie werden die Person also mit Ihren Inhalten erreichen.
Vergleicht man die Situation übrigens mit anderen Online-Kanälen - allen voran soziale Medien wie Facebook - sind die neuen Einschränkungen dort wesentlich dramatischer. Denn dort wird Werbung basierend auf den Nutzerdaten ausgespielt. Fehlen die Daten, gibt es keine Werbung und Facebook verliert Einnahmen.
Worauf Sie in Zukunft achten sollten
Ich will mich nicht groß wiederholen. Schenken Sie in Zukunft den anderen KPIs wie Klickrate und Conversionrate noch mehr Beachtung und machen Sie sich bewusst, dass die Öffnungsrate nicht mehr aussagekräftig ist.
Bedenken Sie dies vor allem bei der Planung von Reaktivierungskampagnen oder bei der Bereinigung Ihrer Kontaktliste.
Unverändert gilt: Bleiben Sie relevant. Nur, wer wirklich relevante Inhalte verschickt und sich eine eindeutiges Zustimmung (Double Opt-In) einholt, wird seine Interessenten und Kunden erreichen.
Zusatzinfo: Warum die Öffnungsrate nie eine sichere Kennzahl war
Für viele Marketer ist die Öffnungsrate eine der wichtigsten Key Performance Indicators (KPI). Für sie hatte die Rate Einfluss auf Absendernamen, Betreffzeilen, Vorschau-Texte usw. Sie haben den Erfolg ihrer Kampagnen an dieser Zahl festgemacht. Für diese Personen wird das iOS15-Update schmerzhaft.
Was diese Marketer vielleicht nicht wussten: Die Öffnungsrate war noch nie eine sichere Kennzahl. Wie bereits erläutert, wird die Öffnung über das Bild-Pixel, welches in der E-Mail steckt und geladen wird, getrackt. Nun gibt es aber Clients (wie z. B. Outlook), die die Bilder erst nach einer aktiven Aufforderung des Lesers herunterladen - was viele nicht machen. Aus diesem Grund war die tatsächliche Öffnungsrate IMMER höher als die angezeigte.